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Was die Folgen des Ukraine-Konflikts für Klimastrategien von Unternehmen bedeuten
Die Klimakrise ist schon Kraftakt genug und erfordert radikale Lösungen. Doch mit dem Angriff Putins auf die Ukraine kommen alle bisherigen Planungen für den Klimaschutz in eine Phase der Unsicherheit. Die Ungewissheit über den Umfang und die Folgen von Sanktionen, Embargos und den Gegenreaktionen bringen viele Klimamaßnahmen ins Stocken. Nicht nur ein Lieferstopp für Gas im kommenden Winter, sondern auch die Unterbrechung der Lieferungen von anderen Rohstoffen sowie unkalkulierbare Energiepreise bergen ernste Sorgen eines Abrisses von Lieferketten und möglicherweise einer teilweisen Deindustrialisierung.
Wie können Entscheidungsträger:innen auf die veränderte Situation reagieren? Darüber haben wir im CHOICE Event #38 mit Robert Werner, Geschäftsführer der greenmiles GmbH und des Hamburg Institut, gesprochen. Die wichtigsten Erkenntnisse aus seinem Vortrag haben wir für Dich zusammengefasst.
Wirtschaftliche Auswirkungen des Krieges
Die individuellen Schicksale und menschliche Tragödie des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine sind kaum in Worte zu fassen und stehen bei der Auseinandersetzung mit Putins Verbrechen gegen die Menschlichkeit an erster Stelle. Darüber hinaus hat der Krieg ebenfalls indirekte und komplexe Auswirkungen und wirtschaftliche Folgen, die weit über die Grenzen der Ukraine und Russlands hinaus reichen. Auch Unternehmen in Deutschland sind davon betroffen und müssen sich nun überlegen, wie sie ihre Klimastrategie in Hinblick auf die neuen Unsicherheiten anpassen.
Der Ausgangspunkt aller wirtschaftlichen Auswirkungen sind dabei die Sanktionen und Embargos der Mitgliedsstaaten der EU sowie potentielle Lieferstopps als Gegenreaktion von Seiten Russlands. Diese haben bereits zu Energieknappheit und steigenden Energiepreisen geführt. Weiterhin kommt es vermehrt zu Engpässen bei Rohstoffen und Bauteilen. Dies kann jederzeit zu Störungen in Lieferketten führen, welche unter anderem gebraucht werden, um die Energie- und Klimawende zu beschleunigen. Der Ausfall beim Getreideanbau und der Speiseölproduktion birgt darüber hinaus nicht nur humanitäre Risiken, sondern befeuert ebenfalls die Inflation, welche zusammen mit dem Rückgang des BIP und Arbeitsplatzverlusten die Gesellschaft zunehmend unter eine Belastungsprobe stellt.
Auswirkungen eines Lieferstopps fossiler Energien
Werfen wir nun einen genaueren Blick auf die wirtschaftlichen Verbindung zwischen Deutschland und Russland in Bezug auf die unterschiedlichen Formen fossiler Energien. Im Falle eines Lieferstopps würde sich der Bedarf an Steinkohle dabei relativ gut über den Weltmarkt abdecken und entsprechend ausgleichen lassen. Ähnlich sieht es beim Öl aus, für das es einen funktionierenden Weltmarkt gibt, auch wenn die aktuelle Dominanz der Druschba-Pipeline für Deutschland einen größeren Aufwand bei der Umstellung bedeuten würde. Am schwierigsten stellt sich jedoch die leitungsgebundene Belieferung mit Erdgas dar. Aktuell stammen 55 % des deutschen Erdgasverbrauchs aus Russland. Würde Deutschland jetzt drastische Einschnitte beim Import vornehmen, wäre noch nicht geklärt, wie der Bedarf für Wärmeerzeugung im kommenden Winter 2022/23 abgedeckt werden könnte. Bei einem verzögerten Ausstieg über einen Zeitraum von drei Jahren bestünde nach Expertenmeinung die Möglichkeit, durch den Import von Flüssigerdgas (LNG) die entstehenden Lücken größtenteils zu schließen.
Auswirkungen eines Embargos von weiteren Rohstoffen
Auch wenn der öffentliche Fokus aktuell vor allem auf mögliche Engpässe bei der Belieferung mit Erdgas liegt, sollten nicht die weiteren Rohstoffe vergessen werden, bei denen Russland zu den Hauptlieferanten weltweit gehört. Falls diese in weitere Embargos eingeschlossen werden, müssten sich die entsprechenden Lieferketten ebenfalls erheblich umorganisieren. Eine Übersicht der wichtigsten Rohstoffe findet sich in der folgenden Liste:
Preissteigerungen
Welche konkreten Auswirkungen hat der Krieg nun bereits gehabt? Schauen wir auf die Preisentwicklungen der letzten Monate, wird ein drastischer Anstieg der entsprechenden Rohstoffpreise mit Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich. Gleichzeitig hat sich die Preisentwicklung aber nach dem ersten großen Anstieg bei vielen Rohstoffen wieder entspannt, was sich auf Umverteilungen auf dem Weltmarkt zurückführen lässt.
Weitaus gravierende und langfristigere Folgen werden allerdings durch steigende Energiepreise auf die deutsche Wirtschaft zukommen. Bereits jetzt sind die Folgen des Preisanstiegs für Strom und Gas deutlich zu spüren und Unternehmen planen, wie sie mit der erhöhten Energiepreis-Belastung umgehen können. Aus der Perspektive der Klimatransformation ergeben sich hieraus wiederum neue Impulse, da das klassische Energiesparen sowie Effizienzmaßnahmen deutlich Kosten reduzieren können. Ebenso steigt aktuell der ökonomische Anreiz für den Umstieg von Gaswärme auf Wärmepumpen – dies jedoch möglichst in Kombination mit PV-Anlagen zum Eigenverbrauch, da Wärmepumpenstrom aus dem Netz ebenfalls teurer wird.
Auswirkungen auf unternehmerische Klimastrategien
Was heißt das alles nun für Unternehmen und ihre Klimastrategien? Zunächst lässt sich feststellen, dass der Handlungsdruck auf Unternehmen deutlich gestiegen ist, wenn es um das Vorantreiben der Energiewende und Energieeffizienzmaßnahmen geht. Hieraus ergeben sich neue Impulse und Chancen:
- Energiesparen in neuer Dimension – Neue Möglichkeiten für Unternehmen zum Energiesparen liegen zum Beispiel darin, die Raumtemperaturen abzusenken, PKW-Fahrten zu reduzieren, alle Effizienzmaßnahmen vorzuziehen sowie die Mitarbeitenden aktiv einzubeziehen.
- Scope 1 – Um sich von steigenden Strompreisen zu befreien, kann der radikale Ausbau von Photovoltaik-Anlagen für den Eigengebrauch neue Chancen bieten – auch auf Flächen, an die man bisher nicht gedacht hat (Freiflächen, Parkplätze, Grünflächen etc.).
- Scope 2 – Um ihre Nebenkosten zu senken, können Unternehmen mehr Druck auf Vermieter:innen zum Umbau der Wärmeversorgung (Umstieg auf Wärmepumpen) in gemieteten Gebäuden ausüben.
- Wärmespeicher – Mithilfe von technisch zum Teil sehr einfachen Speichern können Unternehmen einen großen Teil ihrer Abwärme sichern und so besonders bei Hochtemperaturen die Effizienz steigern.
- Hochtemperatur: Chance Wasserstoff – Grüner Wasserstoff könnte aufgrund von hohen Erdgaspreisen schneller hochlaufen und die Ukraine könnte nach dem Krieg zu einem schnell und günstig liefernden Land werden.
Bei all diesen Chancen und Möglichkeiten kommen gleichzeitig auch neue Risiken und Herausforderungen als unmittelbare Folgen von Krieg, Sanktionen und Embargos auf Unternehmen zu:
- Preissteigerungen – Aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen werden Investitionen in die Klimatransformation teurer als bisher kalkuliert. Unternehmen müssen entsprechend ihre Investitionspläne überarbeiten und Zeitpläne anpassen.
- Längere Lieferzeiten – Wichtige Rohstoffe und Bauteile für Photovoltaik, Speicher, Wärmepumpen, Elektrolyseure etc. kommen heute noch aus Russland. Aufgrund der entsprechenden Umstellungen der Lieferketten besteht die Gefahr, dass sich deren Umsetzung letztlich verzögern wird.
- Verzögerung beim Wasserstoff – Neue wertebasierten Kriterien bei der Auswahl von Importländer könnten den Hochlauf von Wasserstoff verzögern.
- Biomasse verliert an Bedeutung – Aufgrund des Ausfalls von Getreideanbau werden Flächen zukünftig vermehrt zur Nahrungsmittelproduktion gebraucht. Gleichzeitig wird Biodiversität als CO2-Speicher immer wichtiger.
Fazit – Was tun?
Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges haben Unternehmen ganz klar die großen Abhängigkeiten und damit verbundenen Risiken in ihren Lieferketten aufgezeigt. Daher tun sie nun gut daran, ihre Handelsbeziehungen zu latent „unfriedlichen“ Volkswirtschaften zu überprüfen, wenn es zum Beispiel um Photovoltaik und Batterien aus China geht oder um Wasserstoff aus dem Mittleren Osten und Afrika.
Generell muss bei Investitionen in die Klimatransformation vieles neu berechnet werden. So werden sich durch die Verteuerung von Energie einige Maßnahmen schneller rechnen – wie der Ausstieg aus Öl und Erdgas –, aber andere Maßnahmen auch verteuern – wie der Strombezug aus dem Netz für Wärmepumpen und E-Mobilität. Die neuen Risiken für längere Lieferzeiten und höhere Kosten bei Klimamaßnahmen müssen ebenfalls einkalkuliert werden. Die erschwerten Bedingungen verlangen letztlich ein noch agileres Projektmanagement und Vorgehen bei der Umsetzung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion.
Vielen Dank für Deine Einblicke, Robert! Das CHOICE Event könnt Ihr Euch im verlinkten Video ansehen.