Durch nachhaltigen Einkauf die Klimatransformation im Unternehmen umsetzen

Eine faire und klimafreundliche Wirtschaftsweise verlangt insbesondere eine nachhaltige Beschaffung. Viele Unternehmen sind aktuell dabei, erste Maßnahmen dazu umzusetzen, doch in den meisten Fällen fehlt ein strukturierter Ansatz, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Die globalen Lieferketten sind aktuell fast dauerhaft im Krisenmodus und es fehlt vielen Einkaufsverantwortlichen ausreichend Zeit, sich systematisch mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Wie können sie dennoch eine nachhaltige Beschaffung etablieren und ihre Einkaufsorganisation mit zahlreichen Unterstützungsangeboten auf diese Transformation vorbereiten und sogar zertifizieren lassen? Das haben wir im CHOICE Event #40 von Sarah Baer vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) sowie von Yvonne Jamal vom JARO Instituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung e.V. erfahren. Die wichtigsten Erkenntnisse aus ihrem Vortrag haben wir für Dich zusammengefasst. 

Was kostet uns die Klimatransformation?

Die Höhe der Kosten für die Klimatransformation sind für viele immer noch schwer greifbar. Für einen ersten Eindruck schauen wir uns daher ein paar wichtige Zahlen an, die vor allem zeigen: Klimaschutz kostet Geld – kein Klimaschutz kostet noch mehr Geld!

Alleine im Jahr 2020 betrugen die weltweiten wirtschaftlichen Belastungen und Schäden durch Naturkatastrophen bereits 190 Mrd. Dollar (Quelle: Swiss Re Institute 2021). Wohlgemerkt sind in diese Zahl noch nicht die verheerenden Katastrophen des letzten Jahres eingerechnet wie die Flut im Juli 2021 im Ahrtal oder die Waldbrände in Australien, Kanada oder den USA. Zu den wirtschaftlichen Schäden kommt noch der zunehmende Verlust unserer natürlichen Umwelt. Hierzu zählen sowohl das Sterben der Korallenriffe, Vergrößerung der Waldbrandflächen, verkleinerter Lebensraum für viele Tierarten und entsprechendes Massenaussterben.

Demgegenüber stehen die Investitionskosten für einen flächendeckenden Wandel hin zu einer weltweit klimakompatiblen Wirtschaft. Experten schätzen, dass ca. 2 % des jährlichen weltweiten Bruttoinlandsprodukts notwendig sind, um die Klimatransformation umzusetzen. Das entspricht ca. 1,6 Billionen Euro. Um einen besseren Eindruck von dieser Zahl zu bekommen, hilft der Vergleich zu anderen aktuellen Ausgaben und Investitionsvolumen: So wurde weltweit für das Militär im Jahr 2020 bereits 2,4 % des jährlichen weltweiten BIP ausgegeben (= 1,75 Billionen Euro) und für die weltweiten Hilfsmaßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie in den ersten 9 Monaten 2020 sogar 14 % des jährlichen weltweiten BIP (= 10,5 Billionen Euro).

Wir sehen also, die nötigen Investitionen für die Klimatransformation sind realisierbar und verhindern vor allem weitaus größere Kosten. Was bedeutet das nun für den Einkauf und wie kann er eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des unternehmerischen Klimaschutzes einnehmen?

Der Einkauf als Multiplikator nach Innen und Außen

Der Einkauf nimmt gleich einer Spinne in ihrem Netz eine wichtige Vermittlerposition im komplexen Prozess-Geflecht der Klimatransformation ein. Denn auch wenn natürlich im Vorstand oder den CSR-Abteilungen die wichtigen klimarelevanten Maßnahmen des Unternehmens geplant und vorangetrieben werden, entscheiden letztlich die Einkaufsleiter:innen, wofür das Geld des Unternehmens ausgegeben wird. Zudem prägen sie durch ihre Einkaufsentscheidungen die Nachfrage am Markt und nehmen entsprechend Einfluss darauf, welche neuen Angebote dort entstehen.

Bei der Perspektive nach Innen, tauscht sich der Einkauf zunächst intensiv mit dem Vorstand & der Geschäftsführung des Unternehmens aus, da er sowohl dessen Vorgaben ausführen soll, aber auch wichtige Impulse geben kann. Zusammen mit der Finanzabteilung als aus der CSR-Abteilung geht es aktuell beim Thema Sustainable Finance vor allem darum, dass klimarelevante Daten aus der Lieferkette für entsprechende ESG-Reportings erhoben und transparent gemacht werden. Aber auch für weitere Bereiche wie Sales & Marketing oder die Personalabteilung beim Thema Recruiting werden die Klimatransformation und entsprechende Fortschritte durch den Einkauf immer wichtiger. 

Nach Außen sind in erster Linie natürlich die Lieferanten der wichtigste Ansprechpartner für den Einkauf. Mit ihnen zusammen gilt es, mehr Transparenz zu klimarelevanten Themen und Prozessen aufzubauen und so erfolgreich Dekarbonisierungsmaßnahmen entlang der gesamten Lieferkette umzusetzen. Aber auch weitere externe Stakeholder – wie die Zivilgesellschaft oder Kund:innen – können sowohl sowohl von der Arbeit und Expertise des Einkauf profitieren als auch die Arbeit des Einkaufs an der Umsetzung der Klimatransformation durch Know-How – z. B. von Fach-Verbänden oder der Forschung – unterstützen.

Die vier Schritte zur nachhaltigen Beschaffung

Um die zentrale Rolle des Einkaufs bei der Klimatransformation nun wahrzunehmen und in die Tat umzusetzen, haben sich vor allem vier folgenden Schritte nach dem nachhaltigen Beschaffungsprozess-Modell von Fröhlich bewährt (Quelle: CSR und Beschaffung, Das nachhaltige Beschaffungsprozess-Modell, Elisabeth Fröhlich (Fröhlich et al. 2013, S. 214)):

  1. Die Basis schaffen
    • Unterstützung des Top Managements einholen
    • Verbündete im Unternehmen finden
    • Alle relevanten Stakeholder identifizieren
    • Wesentlichkeitsanalyse für Ihre Warengruppen durchführen
    • Nachhaltige Beschaffungsziele definieren
  2. Beschaffungsprozesse um nachhaltige Aspekte erweitern
    • Nachhaltige Beschaffungsstrategie formulieren
    • Richtlinien, AEBs und Verträge anpassen
    • Nachhaltigkeitsprogramm für den Einkaufentwickeln (dabei den gesamten Beschaffungsprozesses berücksichtigen)
    • Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen
  3. Aktive Einbindung der Lieferkette
    • Lieferkette aktiv einbinden
    • Nachhaltige und transparente Kriterien für die Lieferantenauswahl und -bewertung festlegen
    • Faire Zusammenarbeit mit Lieferanten auf Augenhöhe zur gemeinsamen Steigerung der Nachhaltigkeitsleistung
    • Vorlieferanten (Multi-Tier Supplier) einbeziehen
  4. Erfolgskontrolle
    • Wirksamkeit der Maßnahmen mit vorab festgelegten Indikatoren überprüfen
    • Transparent über den Fortschritt und Herausforderungen berichten
    • Eventuelle Korrekturmaßnahmen einleiten und Ziele stetig steigern (KVP)

Zertifizierung für eine nachhaltige Beschaffungsorganisation

Zu guter Letzt besteht für Unternehmen sowie ihren Einkaufsabteilungen die Möglichkeit einer Zertifizierung als nachhaltige Beschaffungsorganisation. Hiermit können sie nicht nur den eigenen Stand der Klimatransformation überprüfen und für externe Stakeholder validieren lassen – gleichzeitig bietet es ihnen auch eine hilfreiche Anleitung für die weitere Umsetzung klimarelevanter Maßnahmen. Ein Beispiel hierfür ist die BME-Zertifizierung „Nachhaltige Beschaffungsorganisation“. Sie gliedert sich in drei unterschiedliche Level, von einer Online -Selbstanalyse bis hin zur Vor-Ort-Auditierung der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprogrammes mit jährlichem Überwachungsaudit.

Wer die Zertifizierung durchführen lassen will, muss sich zu bestimmten Mindestkriterien verpflichten. Diese geben einen anschaulichen Leitfaden für eine nachhaltige Einkaufspraxis und lauten: 

  1. Erklärung der Geschäftsführung zur Einhaltung der Menschenrechte
  2. Erstellung eines Supplier Code of Conduct (oder die Nutzung z.B. des BME Code of Conduct
  3. Entwicklung einer nachhaltigen Beschaffungsstrategie (inkl. Risikoanalyse, Ziele, Maßnahmen & Indikatoren)
  4. Benennung eines Nachhaltigkeitsverantwortlichen für den Einkauf
  5. Umsetzung und Fortführung der Beschaffungsstrategie in Form eines Nachhaltigkeits-Programms für den Einkauf mit priorisierten Handlungsfeldern, Zielsetzung und Verantwortlichkeiten
  6. Integration von Nachhaltigkeitsmaßnahmen in die operativen und strategischen Beschaffungsprozesse durch die Formulierung einer nachhaltigen Beschaffungsrichtlinie
  7. Kaskadierte Lieferkettenanalyse: Schaffung von Transparenz in der Lieferkette von mindestens 3 wesentlichen Lieferanten pro Jahr
  8. Erstellung eines jährlichen Nachhaltigkeitsberichts der Beschaffung mit Management Review der Strategie/gesetzten Ziele und Optimierungsplan
  9. Beteiligung an einer jährlichen BME Erhebung zu definierten KPIs für eine regelmäßige Benchmark Analyse

Mit der Zertifizierung und den Mindestkriterien bietet der BME Unternehmen jeder Größe die Möglichkeit, Fragestellungen zur nachhaltigen Beschaffung zu strukturieren und in das eigene Risikomanagement zu integrieren. 

Vielen Dank für Eure Einblicke, Yvonne und Sarah! Das CHOICE Event könnt Ihr Euch im verlinkten Video ansehen. 

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Die Chancen der nachhaltigen Beschaffung nutzen: 3 Tipps zur Umsetzung

Der Hebel der Klimatransformation: Der Einkauf.

Die nachhaltige Beschaffung von Produkten ist ein elementarer Teil des Nachhaltigkeitsmanagements eines Unternehmens. Nachhaltigkeit als Einkaufsziel zu etablieren, bedeutet Prozesse und Vorgaben so zu gestalten, dass die produzierten Waren oder Dienstleistungen möglichst geringe, negative Umweltbelastungen aufweisen. Hierbei ist neben der eigenen Klimaperformance vor allem die der Zuliefer*innen eines Unternehmens von Bedeutung. Schon heute ist es daher wichtig, seine Zuliefer*innen bewusst zu wählen und für klimafreundliches Handeln zu sensibilisieren.

Die Verankerung von Nachhaltigkeit in der Beschaffung bietet die Möglichkeit, energie- und ressourceneffizient sowie kostensparend zu handeln. Dabei werden sowohl unternehmerische als auch gesamtgesellschaftliche Ziele verfolgt. Finde im Folgenden heraus, welche Chancen eine nachhaltige Lieferkette Unternehmen bietet und anschließend drei Schritte, um die Lieferkette nachhaltig zu gestalten.

Nachhaltige Beschaffung ermöglicht energie- und ressourceneffizientes Handeln

Nachhaltiger Einkauf ermöglicht Unternehmen durch eine effizientere Ressourcennutzung nicht nur die Einsparung von Emissionen innerhalb der eigenen Lieferkette, sondern auch Wettbewerbsvorteile. Stand 2020 legen 71% aller Konsument*innen und Kund*innen Wert auf eine nachhaltige Produktion von Lebensmitteln (Utopia), aber auch beim Kauf anderer Konsumgüter nimmt das Bewusstsein der Verbraucher*innen bezüglich nachhaltiger Produktion zu. Darüber hinaus steigt die Nachfrage nachhaltig produzierter Produkte auch durch politische Vorgaben und Regulationen.

Um Transparenz zu schaffen, verpflichtet das Corporate Social Responsibility-Richtlinien Umsetzungsgesetz seit 2017 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen dazu, Informationen über Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange zu veröffentlichen. Um globale Standards zu setzen, beschloss das Europaparlament im März diesen Jahres einen Gesetzesvorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz. Damit werden europäische Unternehmen aufgefordert, ihre gesamte Lieferkette transparent offenzulegen und gerechte Standards zum Schutz von Mensch und Umwelt einzuhalten. Auch Investor*innen beobachten die Klimaperformances von Unternehmen und tätigen immer häufiger „Green Investments“. Laut Venture Capital verdoppelten sich im Jahre 2019 Investments in nachhaltige Start-Ups nahezu, vor allem innerhalb der Nahrungsmittel-Industrie. Nachhaltiger Einkauf trägt zur Resilienz und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens bei und ermöglicht dessen langfristige Wirtschaftlichkeit.

3 Schritte zur Etablierung von Nachhaltigkeit in der Beschaffung

Laut efficio fehlen stand heute häufig Angaben darüber, wie Nachhaltigkeit aktiv als Einkaufsziel in die Beschaffung integriert werden kann. Im Folgenden stellen wir Dir daher 3 Schritte vor, um Nachhaltigkeit im Einkauf zu etablieren. 

1. Ausgangslage erfassen und Beschaffungsstrategie definieren

Um Nachhaltigkeit im Lieferketten-Management zu verankern, ist es zunächst wichtig, einen Überblick über den gesamten Beschaffungsprozess des eigenen Unternehmens aufzustellen. Dazu gehören die Strukturen des Prozesses sowie die wichtigsten Akteur*innen in der Lieferkette. 

Dann gilt es gemeinsam eine zielgerichtete Beschaffungsstrategie festzulegen, welche sowohl der ökologischen als auch den sozialen und ökonomischen Dimensionen gerecht wird. Konkret heißt das, dass ein klimafreundlicher Umgang mit Ressourcen und Materialien und die Nutzung regenerativer Energien als Auswahlkriterien aufgenommen wird. Darüber hinaus sollte die soziale Verantwortung gegenüber Angestellten, Dienstleister*innen und Zuliefer*innen in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit Ausdruck finden.

2. Einkaufsfunktionen auf Nachhaltigkeit ausrichten

Die Auffassung, die Beschaffung umweltfreundlicher Produkte sei zwangsläufig mit höheren Kosten verbunden, ist immer noch weit verbreitet. Dabei steht Nachhaltigkeit als Einkaufsziel nicht im Widerspruch zu etablierten Einkaufszielen, wie zB Kostensenkung oder Risikominimierung. Nachhaltige Produkte können heute teilweise aufgrund einer geringen Wertschöpfungstiefe günstiger produziert werden. Zusätzlich minimieren sich Liefer-Ausfallrisiken sowie Logistikkosten durch den Fokus auf ausgewählte, lokale Anbieter*innen.

Um den Einkauf umfassend auf Nachhaltigkeitsziele auszurichten, wird auf Basis der Corporate-Social-Responsibility-Strategie ein praktischer Leitfaden für Einkäufer*innen erstellt. Als “Verhaltenscodex” umfasst dieser die Anforderungen und Richtlinien für Einkaufsverantwortliche und Zuliefer*innen. Um diese tatsächlich umzusetzen, bieten Schulungen von Mitarbeiter*innen die Chance, die Umstellung schnellstmöglich greifbar zu machen. Im Anschluss stellen Unternehmen Indikatoren zur Bewertung der Entwicklungen der nachhaltigen Beschaffung auf, um die neuen Prozesse zu steuern und Erfolge messen zu können.

3. Eine nachhaltige Einkaufspraxis implementieren

Jetzt heißt es: Praktische Maßnahmen umsetzen und im täglichen Einkauf klimarelevante Entscheidungen treffen! Dazu werden Zuliefer*innen, welche für das Unternehmen von hoher strategischer Bedeutung sind priorisiert. Hierzu werden nun die zuvor identifizierten Nachhaltigkeits-Indikatoren genutzt. Schließlich ergibt sich so entlang der Wertschöpfungskette ein zuverlässiges Bild über die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie in der Beschaffung, was später ebenfalls als Grundlage für CSR-Berichte dienen kann. Wichtig ist, dass sich das Monitoring nicht nur auf die Kontrolle der Zuliefer*innen beschränkt, sondern auch die eigene Arbeit als Unterstützung der sozialen und ökologischen Standards einschließt. Gegebenenfalls leiten Unternehmen gemeinsam mit den Zuliefer*innen Verbesserungsmaßnahmen ein. Dies unterstützt eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung.

Weitere praktische Schritte für die Etablierung von Nachhaltigkeitszielen im Einkauf findest Du im CHOICE Event #14 mit Yvonne Jamal, Gründerin und Vorstandsvorsitzende des JARO Instituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung e.V.. Sie erläuterte die Umsetzung einer nachhaltigen Lieferkette anhand von vier Schritten.

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Oder möchtest Du einen besseren Überblick über die klimarelevanten Chancen und Risiken Deines Unternehmens bekommen und entlang der gesamten Lieferkette Emissionen einsparen? Dann melde Dich bei uns und fordere Informationen zum CLIMATE Readiness Check an.