2021-11-06
Decarbonization
Science Based Targets im Unternehmen umsetzen
Im Zuge der COP26 verlagert sich derzeit das Augenmerk hin zu langfristigen Net-Zero-Zielen und Dekarbonisierungsstrategien. Hierbei bilden wissenschaftsbasierte Klimaziele – sogenannte Science Based Targets (SBTs) – einen zentralen Hebel für die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Anna Lena Hackelsberger von „econsense – Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft“ hat beim CHOICE Event #29 erklärt, was genau „wissenschaftsbasiert“ bedeutet und wie die Zielsetzung in der Praxis funktioniert. Hier findest Du die wichtigsten Inhalte aus ihrem Vortrag über Science Based Targets.
Wer ist die Science Based Targets Initiative (SBTi)?
Die Science Based Targets Initiative (SBTi) wurde 2015 im Jahr des Pariser Klimaabkommens von vier NGOs – CDP, WWF, UN Global Compact und World Resources Institute – gegründet. Die Initiative gilt als führender Akteur sowohl für die Anleitung bei der wissenschaftsbasierten Klimazielsetzung als auch für ihre Validierung. Unternehmen können sich öffentlichkeitswirksam zur Festlegung von Science Based Targets verpflichten und haben daraufhin zwei Jahre Zeit, um diese Ziele in enger Abstimmung mit der SBTi validieren zu lassen.
Aktuell sind weltweit schon über 2.000 Unternehmen Teil der SBTi. Davon haben ca. die Hälfte bereits validierte Ziele, während sich die andere Hälfte noch im Zielsetzungsprozess befindet.
Die Methodik der Science Based Targets
Die SBTi will also Unternehmen dabei unterstützen, sich Klimaziele zu setzen, die mit den neuesten Erkenntnissen der Klimawissenschaft in Einklang stehen. Aus der Anfangszeit der Initiative verfolgen manche Unternehmen zwar noch 2 °C-Ziele, das Ambitionsniveau wurde mittlerweile aber aktualisiert, sodass sich jedes neue Unternehmen heute zum 1,5 °C-Ziel verpflichten muss.
Der methodische Ansatz der SBTi lässt sich dabei in drei Schritte gliedern:
Den Ausgangspunkt bilden globale Treibhausgas-Budgets, d. h. die Menge an Emissionen, die noch in die Atmosphäre gehen können, bevor bestimmte Temperaturschwellen überschritten werden. Das bedeutet konkret: Für den 1,5 °C-Pfad schätzt die SBTi das verbleibende THG-Budget – ab 2018 bis zum Netto-Null-Ziel – auf 990 Gigatonnen CO2-Äquivalente.
Als zweiten Schritt modelliert die SBTi mithilfe von Emissionsszenarien, wie dieses Treibhausgas-Budget über die Zeit verteilt werden kann. Hierfür arbeitet die SBTi mit etwa 50 verschiedenen Emissionsszenarien, die u. a. von der Internationalen Energieagentur (IEA) stammen.
Zuletzt wird das Treibhausgas-Budget auf den Privatsektor und einzelne Unternehmen heruntergebrochen. Für diese Verteilung gibt es wiederum zwei verschiedene Ansätze: Beim Absolute Contraction Approach reduziert jedes Unternehmen seine Emissionen linear und unabhängig von der Branche um 4,2 % pro Jahr. Beim Sectoral Decarbonization Approach geht es wiederum nicht um absolute Emission, sondern um Emissionsintensitäten. Hiernach reduzieren alle Unternehmen eines bestimmten Sektors ihre Emissionsintensität bis zu einem bestimmten Datum auf denselben Wert.
Erfolgsfaktoren für die Umsetzung
Bereits beim Festlegen der Klimaziele müssen wichtige Bedingungen für ihre erfolgreiche Umsetzung mit bedacht werden. Zunächst sollten die Science Based Targets eng mit der Unternehmensstrategie verwoben sein, sodass alle aktuellen und zukünftigen Geschäftsfelder auf die Zielerreichung einzahlen. Dies hat zur Folge, dass die SBTs bei vielen Unternehmen als Anstoß für grundlegende Diskussionen über die klimakompatible Ausrichtung des Geschäftsmodells wirkt.
Da das Commitment zu den SBTs mittlerweile eine sehr öffentlichkeitswirksame Angelegenheit geworden ist, läuft die Entscheidung darüber heute zwangsläufig über das Top-Management oder den Vorstand. Daher ist es wichtig, diesen die Bedeutung der SBTs sowohl für die eigene Klimawirkung als auch für die zukünftige Geschäftsentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit klar zu machen. CSR- und Nachhaltigkeitsmanager sollten den Impuls für die Festlegung der SBTs ins ganze Unternehmen weitertragen und durch strategisches Stakeholder-Management möglichst viele Abteilungen in den Prozess mit einbinden. Letztlich kann die Zielsetzung nur zum Erfolg werden, wenn alle im Unternehmen an einem Strang ziehen.
Vorteile für die interne und externe Positionierung
Mit den Science Based Targets leisten Unternehmen nicht nur einen wichtigen Beitrag für eine klimakompatible Wirtschaft, sondern sie kommen damit ebenso den steigenden Anforderungen verschiedenster Stakeholder entgegen. Dieses sind unter anderem:
Externe Stakeholder
Für viele Unternehmen sind letztlich Investor:innen einer der Hauptgründe für die Festlegung von SBTs. Diese üben hierbei immer mehr Druck auf Unternehmen aus und schätzen die SBTs als extern validiertes und klimarelevantes Qualitätssignal. Ähnliches gilt auch für Endkund:innen oder Partnerunternehmen entlang der Lieferkette. Zudem haben SBTs ebenos bei klimarelevanten Ratings und Rankings einen großen Einfluss auf eine bessere Bewertung und somit eine gesteigerte Markenreputation.
Politische Entscheidungsträger:innen
Seit dem Pariser Klimaabkommen arbeitet die Politik zunehmend an neuen Gesetzen und Regulierungen für eine klimakompatible Wirtschaft. Gerade in Bezug auf künftige rechtliche Anforderungen können sich Unternehmen mit den SBTs entsprechend vorbereiten und Unsicherheiten verringern.
Strategie
Die Klimaperformance von Unternehmen wird in Zukunft immer mehr an Marktrelevanz gewinnen. Wer sich also frühzeitig auf die ambitionierten Ziele der SBTs einlässt und so an einer klimafreundlichen und langfristig belastbaren Geschäftsstrategie arbeitet, schafft sich für die nahe Zukunft entscheidende Wettbewerbsvorteile.
Betrieb
Auch operativ können SBTs Vorteile für die Profitabilität eines Unternehmens bringen. Zum einen eröffnen sie durch den Anreiz zu Innovationen neue Einkommensströme und zum anderen sorgt die gesteigerte Energie- und Ressourceneffizienz für Kosteneinsparungen. Darüber hinaus bieten die SBTs für die Unternehmens- und Teamkultur eine gemeinsame Vision und fördern so das Mitarbeiterengagement.
Kritikpunkte an den Science Based Targets
Bei all ihren positiven Auswirkungen lassen sich die SBTs ebenso in ein paar Punkten kritisch hinterfragen. So ist zum Beispiel ihre Auswirkung auf das Klima nur bei einer entsprechend hohen Beteiligung der weltweiten Unternehmen gegeben. Bisher ist aber die Durchdringung besonders in Nicht-OECD-Ländern sowie Sektoren mit hohem Schadstoffausstoß (z. B. Bau, Automobile, Schifffahrt) noch sehr gering. Dazu ist es für manche Branchen deutlich einfacher, bei den SBTs mitzumachen, als für andere. Besondere Schwierigkeiten bei der Zielsetzung haben z. B. Unternehmen, die sehr heterogene Produkte herstellen (z. B. Chemiesektor) oder Unternehmen in Sektoren, für die nur wenige 1,5 °C-kompatible Pfade existieren (z. B. Luftfahrt).
Auch das Ambitionsniveau der SBTs wird von manchen als nicht ausreichend eingestuft. So rechnet die Initiative auf der Grundlage einer 50-Prozent-Wahrscheinlichkeit für die Temperaturgrenze von 1,5 °C. Mit anderen Worten: Würden sich alle Unternehmen weltweit SBTs setzen, läge die Wahrscheinlichkeit, das 1,5 °C-Ziel insgesamt zu erreichen, immer noch nur bei 50 %. In Anbetracht all dieser Herausforderungen arbeitet die Science Based Targets Initiative kontinuierlich daran, ihre Methodik weiter zu verbessern und so immer mehr Unternehmen zu ermöglichen, durch wissenschaftsbasiert Klimaziele die Klimatransformation weiter voranzutreiben.
Weitere Information zu diesem Thema bietet das Paper „Accelerating the Race to Net Zero“ von econsense.
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