Wie geht eigentlich klimaneutral drucken?

19.03.2021 | Lesedauer: 6 Minuten

Wir freuen uns, dass dieUmweltDruckerei als neue CLIMATE CHOICE Partner*in auf unserer Plattform dabei ist. Könnt ihr euch kurz vorstellen?

Sehr gerne! dieUmweltDruckerei ist eine ökologische Online-Druckplattform. Wir verwenden ausschließlich 100 % Recyclingpapiere. Die eingesetzten Bio-Druckfarben sind vegan und die mineralölhaltigen Bestandteile sind durch Zutaten auf Basis nachwachsender Rohstoffe ersetzt. Unser Kooperationsnetzwerk arbeitet ausschließlich mit Ökostrom. Alle unvermeidbaren CO2-Emissionen, die im gesamten Druckprozess und beim Versand entstehen, kompensiert dieUmweltDruckerei durch Investitionen in Klimaschutzprojekte. Zudem ist es unser Ziel, den Einsatz von Zusatzstoffen möglichst gering zu halten sowie Müll zu reduzieren. Darüber hinaus engagieren wir uns als familienfreundliche Druckerei für sozio-kulturelle Projekte. Unsere Klimaperformance ist transparent online zugänglich.

Welche klimarelevanten Herausforderungen seht ihr im Alltag vieler Unternehmen heute?

Das ist eine komplexe Frage. Der Klimaschutz erfährt heutzutage insbesondere durch die Fridays For Future-Bewegungen eine immer größere Aufmerksamkeit. In den letzten Jahrzehnten hatte sich im wirtschaftlichen Denken trotz des Wissens um den Klimawandel nichts Wesentliches geändert. Ein systemischer Widerspruch liegt in dem unternehmerischen Streben nach quantitativen Wachstum und monothematischer Gewinnmaximierung auf der einen sowie den ökologischen Beschränkungen in Form von endlichen Ressourcen und notwendiger CO2-Minimierung auf der anderen Seite.

Seit 1968 kennen wir den vermeintlichen Widerspruch dank dem Club of Rome

Dieser Widerspruch ist seit dem Club of Rome im Jahre 1968 bekannt. Auf den Punkt gebracht: Ein endloses Wirtschaftswachstum, wie wir es seit dem industriellen Zeitalter praktizieren, ist auf unserem Planeten schlichtweg nicht möglich. Das ließe sich jetzt exemplarisch am Raubbau der Natur und dem weltweiten Artensterben verdeutlichen; doch bleiben wir beim Klimawandel. Auf der UN-Konferenz in Rio wurde 1992 das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung als internationales Leitbild verabschiedet, das letztlich ins Kyoto-Protokoll mündete und damit erstmalig völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für den Treibhausgas-Ausstoß festlegte. Das durfte damals zwar aus umweltpolitischer Sicht als großer Erfolg verbucht werden, doch seit Rio haben sich die weltweiten Emissionen bis heute nahezu verdoppelt. Tendenz steigend! Die Pariser Klimakonferenz im Jahre 2015 war die erste umfassende und rechtsverbindliche weltweite Klimaschutzvereinbarung, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen und damit die verheerenden Folgen des Klimawandels zumindest zu minimieren.

Jedes Unternehmen verantwortet in seiner Wertschöpfungskette den Verbrauch von Energie

Für jedes Unternehmen gilt es heute mehr denn je, den vermeintlichen Widerspruch aus Wirtschaftswachstum versus Natur-, Arten- und Klimaschutz individuell auf qualitativer Ebene zu lösen. Hinsichtlich des Klimawandels spielt der Energie-Sektor eine entscheidende Rolle, da diesem gut 90 % der globalen Emissionen zugerechnet werden können. Jedes Unternehmen verantwortet in seiner Wertschöpfungskette den Verbrauch von Energie: vom Ressourcenabbau über die Produktion, Transport und Nutzung bis zur Entsorgung oder besser Rezyklierung. Das heißt, sämtliche Unternehmen stehen zum einen in der Verantwortung ihren Energieverbrauch maßgeblich zu reduzieren und zum anderen ausschließlich auf erneuerbare Energien zu setzen.

Wie helft ihr anderen Unternehmen,  klimafreundlich zu handeln? 

Die Politik geht gerne von der mündigen und aufgeklärten Verbraucher*in aus. Das wäre zwar wünschenswert, ist jedoch weder der Status quo noch zukünftig realistisch – dafür ist Nachhaltigkeit ein viel zu komplexes Thema. Von der Konsument*in beispielsweise zu erwarten, dass sie sich im Supermarkt umfassend mit den Nachhaltigkeitssiegeln in der globalen Fischereiindustrie beschäftigt hat oder nachvollziehen kann, ob die sozialen Mindeststandards gerade auf den mittelamerikanischen Bananenplantagen eingehalten werden oder wie hoch die virtuelle Wasserbilanz der Avocados in den Regalen ist, bevor sie ihre Lebensmittel einkauft, ist wohl doch ein bisschen viel erwartet.

Wir übernehmen Verantwortung für unsere Klimaperformance

Das Gleiche gilt für Druckprodukte. Ganz ehrlich: wer kennt sich schon mit Öko-Bilanzen von Papierprodukten aus? Die Antwort: Wir. Nicht die Kund*innen. Die Verantwortung liegt also verstärkt bei den Unternehmen, nachhaltig zu produzieren, um letztlich nachhaltige Produkte anbieten zu können. In der Wissenschaft spricht man von einem libertären Paternalismus. Wenn ein Supermarkt ausschließlich nachhaltige Produkte anbietet, dann können Konsument*innen auch schlichtweg keine Produkte wählen, die nicht nachhaltig sind. 

Nach dem Prinzip ist unsere Online-Druckplattform aufgebaut. Wir haben im Hintergrund die Wertschöpfungskette nachhaltig aufgestellt. Und egal welches Printprodukt von der Kund*in auf unserer Seite ausgewählt wird, es hat immer eine Top-Öko-Bilanz. Es wird stets klimaneutral mit Bio-Farben und Ökostrom auf 100 % Recyclingpapier gedruckt.

Gemeinsam haben wir den CLIMATE Readiness Check durchgeführt. Was war eure Motivation dabei?

dieUmweltDruckerei verfolgt seit ihrer Gründung im Jahre 2009 einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz. Das heißt, wir streben danach, sämtliche Bereiche der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit als integrierte Strategie umzusetzen. Wir verstehen diesen Ansatz nicht als Ziel, sondern als steten Prozess und freuen uns, diese Ambition in sämtlichen Unternehmensbereichen mit großem Engagement weiterzuentwickeln.

Dieser Prozess endet nie und wir freuen uns immer auf neue Inspiration, um uns weiter verbessern zu können. Bei unserem CLIMATE Readiness Check wurden wir glücklicherweise mit „stark überdurchschnittlich für eine Klimalösung“ bewertet – das freut uns sehr! Das heißt, wir konnten in allen vier Bereichen von der Transparenz über Klimaeinfluss und ökologisches Handeln bis zur Branchenveränderung überzeugen. Neben Tipps zur Klimaoptimierung, wie einer IoT-Steuerung für unsere Heizungen, habt ihr uns darauf aufmerksam gemacht, dass es noch Potenzial in unserem Klimareporting gibt, indem wir quantitativ messbare Reduktionsziele formulieren. Das ist keine leichte Hausaufgabe, aber wir hoffen, auch diese Herausforderung langfristig umsetzen zu können.

Vielen Dank! Was sind die drei Best-Practices, die ihr Unternehmen mit auf den Weg geben wollt? 

Bei unternehmerischen Entscheidungen sollte stets der Klimaschutz-Grundsatz maßgebend für die individuellen Strategien, Prozesse und Produkte sein: Vermeidung vor Reduzierung vor Kompensierung!

Vermeidung vor Reduzierung vor Kompensation

Betrachten wir einmal als Inspiration die Transportwege einer konventionellen Druckerei. Das jeweilige Frischfaserpapier wird in der Papierfabrik hergestellt, verpackt und zunächst zur Großhändler*in transportiert und gelagert. Beim Verkauf an eine Druckerei wird es ausgelagert. Anschließend wird das bestellte Papier per Lkw einzeln zur Druckerei gefahren. Hier wird die Lieferung ausgepackt. Jeder Auftrag wird für sich allein gedruckt. Entsprechend werden auch jeweils Vorlaufbögen (für Farbtests) verbraucht, was wiederum Papiermüll verursacht. Das Printprodukt wird nun per Post oder in der Regel mit dem eigenen Lkw zur Kundin gefahren oder gar vom Kunden persönlich mit dem Auto abgeholt.

Transportwege vermeiden

Bei der UmweltDruckerei haben wir diesen Prozess unter der Prämisse des Klimaschutzgrundsatzes reformiert. Unsere reduzierte Recyclingpapier-Auswahl wird in der Papierfabrik hergestellt und per Großbestellung unverpackt direkt zur Druckerei gefahren. Die Fahrt-Emissionen werden durch Klimaschutzinvestitionen kompensiert. Per Multidruckformen wird ressourceneffizient in einem Durchgang mit Ökostrom für mehrere Kund*innen gedruckt, so werden pro Auftrag deutlich weniger Vorlaufbögen benötigt. Vor Ort wird das Recyclingpapier geschnitten/gefalzt und per Post ebenfalls klimaneutral direkt an die Kund*innen versandt. Die CO2-Transportbilanz beschränkt sich in der Regel bei der UmweltDruckerei auf lediglich zwei Wege: von der Papierherstellung zur Druckerei und postalisch letztlich zu unseren Kund*innen.

Auf unnötige Transportwege wurde verzichtet (CO2-Vermeidung), notwendige Transportwege effizienter genutzt (CO2-Reduzierung) und über öko-soziale Klimaschutzprojekte ausgeglichen (CO2-Kompensierung).

Dieses branchenspezifische Best-Practice kann natürlich nicht für jedes Unternehmen 1:1 übernehmen werden, doch es zeigt exemplarisch, wie die eigene Wertschöpfungskette im Sinne des Klimaschutz-Grundsatzes qualitativ optimiert werden kann.

Vielen Dank!

Kevin Riemer-Schadendorf - dieUmweltDruckerei

Über unseren Autor: Dr. Kevin Riemer-Schadendorf ist Leiter für Nachhaltigkeit und Kommunikation bei der UmweltDruckerei. Im Interview hat er uns erzählt, was die Umweltdruckerei auszeichnet und warum sie als CLIMATE CHOICE Partner validiert wurden. Bild: GREEN BRANDS-Verleihung.