CO2-Zertifikate. Wie funktioniert eigentlich der europäische Emissionshandel?

13.08.2020 | Lesedauer: 4 Minuten

Das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) ist ein Eckpfeiler der EU-Politik in Sachen Klimawandel und wurde als ein Schlüsselinstrument zur kostengünstigen Reduzierung von Treibhausgasen entwickelt. Das EU-ETS ist der weltweit größte Markt für CO2, doch die Mechanismen und Funktionsweisen sind vielen unbekannt. Warum existiert der Handel mit den sogenannten „Verschmutzungsrechten“ und hält er, was er verspricht?

Die Entstehung des Emissionshandels

Im Jahr 1997 wurde auf der Kyoto UN-Klimakonferenz der Emissionshandel ins Leben gerufen. Hier wurden freiwillige und verpflichtende Mechanismen des CO2-Zertifikatehandels festgelegt.  Seit 2005 hat die Europäische Union den verpflichtenden Emissionshandel als Instrument der Klimaschutzpolitik aufgenommen. Das EU-ETS ist in allen EU-Ländern sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen tätig und begrenzt die Emissionen von mehr als 11.000 Anlagen mit hohem Energieverbrauch (Kraftwerke und Industrieanlagen) und Fluggesellschaften, die zwischen diesen Ländern operieren. Das System deckt rund 45% der CO2e-Emissionen der EU ab.

Handel in einem Cap und Trade System

Der Marktpreis für CO2-Zertifikate wird durch ein Cap und Trade Prinzip bestimmt. Die Höhe der Treibhausgasemissionen wird beschränkt und die jeweiligen Emissionsrechte auf die Anlagen aufgeteilt. Gleichzeitig können Anlagen, die Emissionen reduzieren, ihre überschüssigen Emissionsrechte frei zum Handel anbieten. Dadurch soll ein ökonomischer Anreiz entstehen, den Ausstoß schädlicher Klimagase dort zu senken, wo es am effizientesten ist. Die Obergrenze der Emissionen wird im Laufe der Zeit reduziert.

Erklärvideo Emissionshandel, Umwelt Bundesamt.

Entwicklung des CO2 – Ausstoßes

Im Jahr 2020 werden die Emissionen, der im System erfassten Anlagen, voraussichtlich 21% niedriger sein als im Jahr 2005. Bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen gegenüber 2005 um 43% gesenkt werden. Im Rahmen des Europäischen Green Deal sollen Reduktionsziele festgelegt werden.

Kritik am System

Die Menge der CO2-Emissionsrechte ist überschüssig und sorgte lange Zeit für Preise deutlich unter dem empfohlenen Mindestpreis von 20€ pro Tonne CO2. Zusätzlich wurde die kostenlose Zuordnung der Emissionsrechte auf Anlagen kritisiert, da einzelne Branchen überdurchschnittliche viele Emissionsrechte erhielten oder bestimmte kleine Anlagen ausgeschlossen wurden. Seit 2013 erfolgen ergänzend zu den kostenlosen Zuteilung der CO2-Zertifikate Versteigerungen, die als harmonisierte Zuteilungsregeln gelten.

Handelsperiode 2021-2030

Für die kommende, neue Handelsperiode im Zeitraum 2021 – 20130 (Phase 4) wurden Anfang 2018 die Emissionsminderungsziele der EU angepasst.

Stand der Emissionen in Deutschland

Laut Umweltbundesamt, emittierten im Jahr 2019 die rund 1.850 erfassten Anlagen in Deutschland ca. 363 Millionen t CO2e. Dies entspricht einem Rückgang um 14% gegenüber 2018. Der CO2-Rückgang geht maßgeblich auf Einsparungen in der Energiewirtschaft (18%), aber auch Industrie (4%) und Luftverkehr (4%) zurück. Kritiker heben hervor, dass der starke Rückgang der Emissionen in Deutschland und Europa ebenfalls auf die erfolgreiche Reform des Emissionshandels zurückzuführen ist. Der stark gestiegene Preis für CO2-Zertifikate (Heute ca. 25€ pro t CO2) hätte insbesondere in der Energiewirtschaft zu einem deutlichen Rückgang der Emissionen geführt.

„Die aktuellen Entwicklungen im Energiesektor zeigen eindrucksvoll, dass ein gestärkter Emissionshandel die in ihn gesetzten Erwartungen als Klimaschutzinstrument voll erfüllt. Gleichwohl muss insbesondere im Industriesektor noch mehr erreicht werden. Dafür brauchen wir eine intelligente Dekarbonisierungsstrategie. Der neue europäische Innovationsfonds ist hierfür ein zentraler Baustein. Denn er fördert künftige europaweit innovative klimaschonende Technologien im Industriesektor mit Auktionserlösen aus dem Emissionshandel.

Dirk Messner, Präsident des UBA

Emissionshandel und tatsächliche Gesamtemissionen

Der Rückgang der Emissionen im erfassten CO2-Handelssektor ist relativ zu sehen, da er stärker ausfällt als der Rückgang der tatsächlichen, deutschen Gesamtemissionen. Diese haben im Jahr 2019 die zugewiesenen Emissionsrechte um rund 21,6 Millionen tCO2e überschritten (Report Deutsche Emissionshandelsstelle). Auch die in den Vorjahren angesparten Emissionsrechte reichen voraussichtlich nicht mehr aus, um diese Lücke für 2019 zu decken. Die EU-Mitgliedstaaten sind zwar rechtlich nicht verpflichtet, die jeweiligen Reduktionsziele exakt zu erreichen. Sie müssen aber nachweisen, dass sie für jedes Jahr zwischen 2013 – 2020 über ausreichende Emissionszuteilungen verfügen. Hierfür können nicht genutzte Zuteilungen aus früheren Jahren des Geltungszeitraums oder von anderen Mitgliedstaaten übertragene Emissionsrechte genutzt werden.

Änderungen ab 2021

Die Emissionen der Industrie und Stromerzeugung aus Deutschland sind bereits größtenteils im EU-ETS erfasst: Hier zahlen AnlagenbetreiberInnen für jede Tonne emittiertes CO2. Die Emissionen außerhalb dieser Bereiche werden bislang kaum erfasst. Auf Grundlage des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) wird nun in Deutschland ab 2021 ein nationales Emissionshandelssystem (nEHS) eingeführt. Dieses dient als zentrales Klimaschutzinstrument der CO2-Bepreisung von Emissionen insbesondere aus den Bereichen Wärme und Verkehr. Einbezogen in den nEHS werden Brennstoffe, insbesondere Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssiggas, Erdgas und ab 2023 Kohle. Zahlen müssen die zusätzlichen Kosten zunächst die so genannten InverkehrbringerInnen, also HändlerInnen der Brennstoffe. Wird die Bepreisung an KonsumentInnen weitergegeben, könnte eine gewünschte Verhaltensänderung folgen.

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